Shiatsu bei Psychose?

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  • #4061

    Neulich kam eine Klientin zu mir, die wegen ihrer Rücken- und Nackenverspannungen Shiatsu haben wollte. Die Klientin erzählte, dass sie an einer Psychose erkrankt sei und zwar begann es 1994 mit dem Hören von Stimmen und mehreren Aufenthalten in der Psychiatrie, zuletzt 1998. Seitdem ist sie durch regelmäßige Einnahme von Psychopharmaka frei von Symptomen. Sie hat auch ihrem behandelnden Neurologen erzählt, dass sie Shiatsu machen will, aber der wußte gar nicht was das überhaupt ist.
    Ich habe die Klientin erstmal nicht behandelt und würde gern wissen, wie riskant es ist, ihr Shiatsu zu geben.

    #4188
    Gaby Falk
    Teilnehmer

    Die Arbeit mit Psychose-Pat. gestaltet sich sehr unterschiedlich. In der Regel sind Pat. mit einer akuten Psychose in der Psychiatrie, um dort medikamentös eingestellt zu werden. Danach sind regelmäßige Medikamenteneinnahme bei regelmäßigen Kontrollen beim niedergelassenen Psychiater sehr wichtig, da der Gehirnstoffwechsel wieder neu entgleiten kann. Häufig beginnen die Patienten wieder Stimmen zu hören, sie werden sehr ängstlich (=ein ganz wichtiges Kriterium für einen neuen Schub. Auch die räumliche und örtliche Orientierung wird verschwommen bzw. entgleitet ganz. D.h. der Patient nimmt die Dinge und Menschen in seiner Umgebung nicht mehr so wahr wie sie unserer Wirklichkeit entsprechen. – Viele Patienten, die verantwortungsvoll mit Medikamenten und regelmäßiger Vorstellung beim Psychiater umgehen, können einen erneuten Psychiatrie-Aufenthalt vermeiden und manche können die Medikamente über Jahre auch weitgehend reduzieren.
    In meiner Tätigkeit in der Psychosomatik hatte ich häufiger mit Pat. zu tun, die gerade medikamentös eingestellt wurden.
    Manche Patienten waren zu ängstlich, um sich überhaupt auf Berührung einlassen zu können. Hier war über mehrere Wochen der Beziehungsaufbau im Vordergrund. War die Sicherheit da, daß ich nicht \“übergriffig\“ werde, konnten wir darüber sprechen, wo denn überhaupt Berührung in Frage kommen könnte. Auch die Erklärung, wie Shiatsu überhaupt wirkt und wie es z.B. bei der Berührung der Füße wirken könnte, war immer ganz wichtig. Erst gegen Ende des stationären Aufenthaltes war es möglich, kurze Shiatsu-Behandlungen zu geben.
    Desto besser die Einstellung mit den Medikamenten wirkte, desto offener waren die Pat. für Shiatsu.
    Ganz Wichtig war und ist aber immer die Kontrolle:
    Verbal das Geschehen begleiten!!! Der Pat. gibt vor, wo Berührung beginnt. Der Pat. gibt vor, wie leicht oder präsent der Kontakt sein darf. Der Pat. gibt Feedback, wie es sich anfühlt – während der Behandlung! Der Pat. leitet mich weiter – ich darf zwar Vorschläge machen, aber der Pat. leitet letztendlich.
    Ein Wegdriften sollte unbedingt vermieden werden. Die Vollkommene Entspannung, die viele im Shiatsu so sehr lieben, ist hier kontraindiziert. Auch \“in die Tiefe gehen\“ bei der Behandlung sollte vermieden werden. Die Angst könnte sich verstärken und einen neuen Schub einleiten.
    Das Schönste in der Behandlung mit Psychose-Pat. ist, daß man ihnen eigentlich immer vertrauen kann. Sie stoppen von alleine, auch wenn sie nicht benennen können warum. Halt geben, präsent sein, nicht in die Tiefe gehen, verbal begleiten, dem Pat. die Führung überlassen, so kann das Vertrauen in die gesunden Anteile im Körper des Pat. wachsen und Shiatsu unendlich Gutes tun.
    Viel Spaß, Gaby

    #4189

    Liebe Katrin,

    ich freue mich, dass Gaby eine solche differenzierte Antwort geschrieben hat. Ich habe selber daraus gelernt.

    Du hast die Antwort auf deine Frage erhalten: wenn die Klientin zu dir kommt, und sich die Situation für dich gut anfühlt, dann darfst du ihr auch Shiatsu geben.

    Nun liest sich deine Frage so, als sei deine neue Klientin in einer anderen Situation als die Patienten, von denen Gaby berichtet. Schließlich kommt sie ja zu dir und möchte Shiatsu von dir erhalten, möchte von dir berührt werden. Beachte trotzdem alle Hinweise, die Gaby in ihrer Antwort gegeben hat. Mach klar, am besten im Gespräch vor der ersten Behandlung, falls es nötig erscheint auch später immer wieder, dass deine Klientin zu jedem Zeitpunkt die Kontrolle darüber hat, ob , wo und wie du sie berührst. Du kannst durchaus in Tiefenkontakt gehen, es ist aber noch wichtiger als sonst, dass du darauf achtest, wie sie darauf reagiert. Evtl. auftretende Angst kann sich z.B. auch in der Weise zeigen, dass sie ganz still und starr vielleicht auch angespannt wird.

    Achte auch auf dich selber. In der Arbeit mit Psychose KlientInnen habe ich selber die Erfahrung gemacht, dass die Nebenwirkungen auf die behandelnde Person mitunter stärker sein können als in der Arbeit mit anderen KlientInnen, vor allem wenn man nicht mit dieser Thematik vertraut ist. Ich empfehle dir darum, besonders darauf zu achten, dass du vor, während und nach der Behandlung gut zentriert bist, d.h. deinen eigenen Raum in dir wahrnimmst, dich mit dir gut fühlst.

    Liebe Grüße,

    Wilfried Rappenecker

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