sexueller Missbrauch und die Arbeit mit Shiatsu

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  • #4147
    Ika Meisner
    Teilnehmer

    Hallo,

    habe mich mit meiner letzten Frage hier gut aufgehoben gefühlt und nutze das Forum jetzt vermehrt. Vielen Dank.

    Umgang mit sexuellem Missbrauch im Shiatsu, wie kann ich diesem Thema dem Klienten begegnen wenn ich diese Vermutung habe ?

    Habe momentan einen aktuellen Fall, vor 1,5 Jahren arbeite ich auch schon mit diesem Thema mit einem Klienten, leider konnte ich diesen nicht so lange begleiten wie von mir und dem Klienten gewünscht, die unter anderem durch Shiatsu verschärften Umstände führten zu einer Kausalkette die eine Beendigung der Behandlungsserie nach sich zogen.

    Falls noch Informationen zum aktuellen Fall gewünscht werden, bitte fragen. Diskretion ist immer angebracht, in solch einem Fall im besonderen.

    liebe grüße von Ika

    #4374
    Meike Kockrick
    Mitglied

    Liebe Ika.,

    vielen Dank für deine Frage. Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann arbeitest du im Moment mit einer Person, bei der du sexuellen Missbrauch vermutest. Dieses Thema wurde nicht zwischen euch angesprochen.

    Also ist die erste Frage, was nimmst du wahr, was dich vermuten lasst, dass dieser Mensch sexuell Missbraucht wurde. Die traumatisierenden Aspekte bei sexuellem Missbrauch sind die massive Grenzverletzung und der Kontrollverlust, die Erfahrung, die Situation aushalten zu müssen. Auch die eventuelle Beziehung zwischen Opfer und Täter spielt eine Rolle. Je näher sich beide standen, wenn es sich z.B. um ein Familienmitglied oder eine wichtige Betreuungs- oder Bezugsperson handelt, desto tiefer ist die Verletzung im Verhältnis zu einer völlig fremden Person.

    Dies bedeutet für die Shiatsubehandlung, dass die empfangende Person ev. eine grundsätzliche Vorsicht oder Schutzspannung beibehält. Wir haben den Eindruck, dass die Person sich nicht auf die Behandlung einlassen kann, ev. sogar kontrolliert.

    Da bei sex. Missbrauch ein Kontrollverlust erlebt wird, ist es wichtig der Person nicht zu empfehlen die Kontrolle aufzugeben, sondern sie darin zu bestärken, dass sie jetzt die Kontrolle hat und auch haben darf.

    Bei einer Traumatisierung versteht ein wichtiger Teil in uns nicht, dass das schreckliche Ereignis(Ereignisse) vorbei ist und wir überlebt haben. Stattdessen schiebt sich bei einem entsprechenden Auslöser das Gefühl des bedroht Seins in den Vordergrund. Das bedeutet, dass die Gegenwart aufgrund vergangener Ereignisse fehlinterpretiert wird. Die bewusste Erfahrung, dass die Berührung und Nähe der Shiatsubehandlung in diesem Moment nichts Bedrohliches hat, sondern (vielleicht) sogar angenehm ist, ist ein Schritt auf dem Weg, dass das Nervensystem versteht, dass die Vergangenheit vorbei ist.

    Das Gefühl, diesen Prozess kontrollieren zu können, ist für die empfangende Person wichtig.Entsprechend der individuellen Situation ist viel Gelassenheit, Langsamkeit und eine klare Umgangsweise gefragt.

    Eventuell hat die betroffene Person Schwierigkeiten die eigenen Grenzen wahrzunehmen und/ oder zu artikulieren. Wenn eine Person ihre eigenen Grenzen nicht wahrnehmen kann oder die Behandlung zum Aufpoppen eines Traumastrudels führt, dann nutzt es gar nichts, wenn wir vorher vereinbart haben, dass die Person Bescheid sagt, wenn ihr etwas unangenehm ist. Dieses Bescheid sagen ist dann nicht möglich, weil wieder einmal die Vergangenheit die Gegenwart als bedrohlich erscheinen lässt.

    In diesem Moment kannst du dich nur auf deine eigene Wahrnehmung verlassen. Wenn du mitbekommst, dass du innerlich weggehst, dich mit anderen Dingen beschäftigst, deine Behandlung technisch wird, du emotional nicht beteiligt bist oder mitbekommst, dass die Person erstarrt, dann sind das Zeichen, die dich aufhorchen lassen sollten.

    Um deine Wahrnehmung zu überprüfen, kannst du die empfangende Person z.B. fragen, wie es ihr gerade geht. Ich würde die Frage sehr offen gestalten, um Raum für unterschiedliche Reaktionen zu geben. Wenn du z.B. fragst, ob es sein kann, dass die Person gerade erstarrt oder abwesend ist, dann könnte das zu offensive sein.

    Ein weiterer wichtiger aber schwieriger Punkt für die Shiatsupraxis kann darin bestehen, dass die Person sich durch unser Interesse an ihr in Form von Fragen ev. Spiegelungen oder Rückmeldungen bedroht fühlt. Dies kann passieren, wenn der Täter Interesse an der Person hatte und die ihm entgegengebrachte Offenheit missbraucht hat.

    Auch in diesem Fall bist du auf deine Wahrnehmung angewiesen. Wenn du merkst, dass die Person sich gegenüber deinen Fragen oder Rückmeldungen, ev. auch gutgemeinten Ratschlägen verschließt, dann ist es wichtig dies zu respektieren.

    Die gute Nachricht ist, dass wir im Shiatsu ja nicht auf viele verbale Informationen angewiesen sind. Wenn du mit der Aufmerksamkeit für Kontrolle und Grenzen arbeitest, dann bist du auf der sicheren Seite und kannst die wunderbaren Möglichkeiten im Shiatsu entsprechend einsetzen.

    Dies sind sehr allgemein gehaltene Informationen, da du deine Frage sehr offen gehalten hast. Falls sich daraus konkrete Frage für die Person ergeben, dann melde dich gerne wieder.

    Liebe Grüße.
    Meike

    #4375
    Ika Meisner
    Teilnehmer

    Liebe Meike,

    vielen Dank für die sehr ausführliche Antwort. Ich arbeite mit einer Person bei der ich sexuellen Missbrauch vermute, das Thema habe ich nicht angesprochen weil ich nichts in eine bestimmte Richtung lenken möchte. Allgemein arbeite ich in Verbindung/Fokus mit/auf evt.Trauma, sexuell oder nicht.
    Da möchte ich der Klientin genug Zeit geben, das sich das Thema zeigt, v\“ll möchte Sie es nicht bearbeiten, v\“ll habe ich falsche Schlüsse gezogen ? Was kommt mir entgegen, was bewegt sich in meiner Arbeit mit Shiatsu und möchte an die Oberfläche. In dem ich den Fokus auf etwas lege ob richtig oder falsch, lege ich die Klientin fest, es könnte weniger Raum entstehen weil die Schublade eng ist ?
    Für mich ist es so stimmiger, wenn das Thema auftaucht bin ich bereit weiterzugehen, da habe ich keine Berührungsängste.

    In Deinem Text sind gute Anregungen zum Nachdenken und Angucken.
    Einiges deckt sich mit meinen Erfahrungen und meiner Wahrnehmung.
    Gerade Gelassenheit, Langsamkeit, Vertrauen und klarer Umgang sind wichtige Punkte.
    Meiner Erfahrung nach auch primär, Grenzen wahren, wie absurd auch immer sie in meiner Bewertungsebene erscheinen, und natürlich, wenn Klient/innen ihre Grenzen in der Behandlung nicht wahrnehmen sehr auf Körpersymptome und energetische, ich würde sagen „Abweichungen“ achten.
    Das kann sehr varieren, je nach Art des Trauma“s passt etwas nicht so ins Bild, heißt nicht das ich vorgefertigte Behandlungen tätige, es ist nur schwierig zu beschreiben.
    Ein weiterer Punkt den Du ansprachst ist Kontrolle, da stimme ich 100 % zu, wichtig finde ich in diesem Zusammenhang, das die Klien/innen den Raum haben innerhalb dessen zu agieren, zu entscheiden wie weit wollen sie gehen. Als Bsp; jemand hat eine Panikattacke in der Behandlung, was natürlich für die Betroffene schlimm ist, ich führe nicht weiter aus……
    Wichtig ist für mich als Behandlerin, in wie weit kann ich die Energie halten oder emotional tragen, darüber muss ich mir klar sein, alles andere ist verantwortunglos gegenüber
    der Klientin. Das heißt nicht, das ich in der Behandlung nicht mal schlittern kann, Panikattacken sind nun mal ein extremes Beispiel und dementsprechend vielschichtig und fordernd für Klienten und Behandelnde.
    Das Bsp. habe ich gewählt weil bei meinen Behandlungen und Erfahrungen hinsichtlich Grenzüberschreitungen (Missbrauch/Gewalt usw.) diese immer wieder Thema sind.
    Auch habe ich die Erfahrung gemacht, das die Person nicht unbedingt komplett erstarrt, sondern nur Teilaspekte des Trauma“s in a) tieferen Ebenen b) in Abspaltung
    in weggehen zeigen.
    Die Klient/innen zu involvieren ist eine gute Möglichkeit in dieser Arbeit, sei es mit Wahrnehmungsübungen als auch mit ansprechen, bei den Wahrnehmungsübungen scheint mir wichtig, niederschwellig anzufangen, nicht aus einer allgemeinen Überforderung (des Klienten) herraus, sondern eher aus symptombezogenen Sicht gesehen.

    Das nur als grobe Vorstellung, da gibt es wesentlich mehr, abgesehen von oberflächlichen Blockaden, Stagnationen usw….
    Es ist ein vielschichtiges Thema, zu der es wenig Literatur gibt.

    liebe Grüße von Ika

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